Führung und Selbstorganisation

Mehr Agilität erfordert mehr Selbstorganisation – was bedeutet das für die Führungsrolle? Eine Antwort darauf finden Sie im Artikel von Autorin Antje Freyth.

Mitarbeiterteams Verantwortung übergeben und sie zur Selbstorganisation zu befähigen

Agilität ist unmittelbar mit organisierter Selbstverantwortung verknüpft. Daher ist es eine wichtige Führungsaufgabe, die Selbstorganisation im Team gezielt zu fördern und zu stärken. Agile Führung ist hier mehr als ein kooperativer, partizipativer Führungsstil, bei dem die Führungskraft die Mitarbeiter mitgestalten und mitentscheiden lässt. Agile Führung heißt darüber hinausgehend, dass Mitarbeiter in einem bestimmten Handlungsraum mit vorgegebenen Zielen autonom bzw. selbstständig entscheiden und handeln können. Je nach Grad der möglichen und sinnvollen Selbstorganisation kann sogar überlegt werden, ob bestimmte disziplinarische Aufgaben immer weiter in Richtung Team delegiert werden können wie z.B. Urlaubsgenehmigungen.
Die Forderung nach mehr Selbstorganisation im Team löst bei vielen Führungskräften die Befürchtung aus, dass sie damit überflüssig werden. Im Rahmen der konsequenten Selbstorganisation in ganzheitlich agilen Organisationen gibt es auch tatsächlich keine klassischen Führungspositionen mehr – aber immer noch Führungsrollen. Im Kontext der Alltagsagilität wird dagegen ein geringerer Grad der Selbstorganisation angestrebt. Hier werden Führungspositionen bestehen bleiben, allerdings mit einem anderen Selbstverständnis bzw. veränderten Herausforderungen und Aufgaben.

Führung und Selbstorganisation
Siehe „Veränderungsintelligenz", S. 404, Springer Gabler Verlag 2017

Selbstorganisation stärken erfordert loslassen

Die Selbstorganisation im Team zu stärken bedeutet für eine Führungskraft, loszulassen von der Mikrosteuerung und stattdessen Verantwortung an Teammitglieder zu übergeben und die Selbstverantwortung der Mitarbeiter einzufordern und zu fördern. Hierarchiedenken ist hier fehl am Platz. Stattdessen gilt es, jeden Mitarbeiter als Experten und Mikromanager in seinem Bereich zu respektieren. Agile Führungskräfte fokussieren sich stärker auf die Rollen zur Entwicklung und Stärkung der Mitarbeiter und des Unternehmens. Statt operativer Aufgaben rücken strategische Aufgaben zur Weiterentwicklung des eigenen Bereichs in den Mittelpunkt. Führungskontrolle findet nur in einer eher subtilen coachenden Form statt und wird durch die soziale Kontrolle und den Gruppendruck im Team oft wirkungsvoller ergänzt.

Schrittweise Stärkung der Selbstorganisation im Team

Was ist bei der schrittweisen Stärkung der Selbstorganisation eines Teams zu beachten? Nachfolgend finden Sie dazu ausgewählte Impulse.

Selbstorganisiertes Arbeiten kann nur funktionieren, wenn die Mitarbeiter freiwillig im agilen Umfeld arbeiten und die Grundhaltung mitbringen, einen eigenen Beitrag aktiv und eigenverantwortlich leisten zu wollen. Nicht alle Mitarbeiter streben aber nach mehr Selbstständigkeit und Selbstverantwortung. Hier gibt es unterschiedliche Erwartungshaltungen an eine Führungskraft – viele Mitarbeiter erwarten von ihrer Führungskraft klare Anweisungen und zweifeln sogar an der Führungskompetenz, wenn die Führungskraft nicht mit höchster eigener Fachkompetenz Entscheidungen fällen und Anweisungen geben kann. Hierzu die exemplarische Aussage einer Seminarteilnehmerin zu ihrer Vorgesetzten: „Wozu ist die dann überhaupt Führungskraft?". Daher gilt es dann erst mit der Vermittlung der Sinnhaftigkeit von mehr Selbstorganisation und den Hintergründen eines veränderten Führungsverständnisses zu starten.

Auf dieser Basis kann ein entsprechend von der Führungskraft gestalteter Rahmen die Bereitschaft zu mehr Selbstorganisation fördern. Je nach Persönlichkeitsprofil benötigen Mitarbeiter mehr oder weniger ausgeprägt die explizite und klare Erlaubnis eigenverantwortlich agieren zu dürfen. Wenn eine Führungskraft diese Erlaubnis nicht explizit ausspricht und den Rahmen klärt, erleben wir in der Praxis oft Unsicherheiten, die dazu führen, dass sie nicht selbstständig voranschreiten, sondern lieber auf die sicheren Anweisungen warten und solange Dienst nach Vorschrift machen. Hier gilt es eine gute Balance zwischen der Formulierung des notwendigen klaren Rahmens und einem ausreichenden Freiraum, der nicht die Motivation und den Raum zur Übernahme von Eigenverantwortung beschränkt, zu wahren.

Im nächsten Schritt können dann die ausgewählten Verantwortlichkeiten sukzessive von der Führungskraft weg hin zu den Mitarbeitern verlagert werden. Die Führungskraft sollte dabei mit Themengebieten starten, bei denen sich der Nutzen der Selbstorganisation möglichst schnell zeigt. Auch kleine Erfolge und erste Schritte in die richtige Richtung gilt es zu würdigen. Eine wichtige Aufgabe der Führungskraft sollte es auch sein, die Ergebnisse des selbstorganisierten Teams im Unternehmen sichtbar zu machen. Dies alles fördert die Anziehungskraft der selbstorganisierten Arbeit.

Im Sinne der kontinuierlichen Stärkung der Selbstverantwortung der Mitarbeiter empfiehlt sich ein coachender Führungsstil mit kontinuierlich an die Mitarbeiter gestellten Fragen.


Vertiefende Informationen finden Sie dazu in unserem aktuellen Buch:

G.H. Baltes, A. Freyth (Hrsg.), Veränderungsintelligenz -
Agiler, innovativer, unternehmerischer den Wandel unserer Zeit meistern
Springer Gabler Verlag 2017 ISBN-13: 978-3658048884

Schlagworte zu diesem Artikel:
Selbstorganisation, Führung, Veränderungsintelligenz, loslassen, Eigenverantwortung, autonom, selbstständig, Handlungsspielraum, delegieren, Befürchtungen, Selbstverständnis, Entwicklung, Stärkung, Selbstständigkeit, Persönlichkeitsprofil, Entscheiden, Sinnhaftigkeit, sukzessive, Erfolge würdigen, coachender Führungsstil

05.12.2017


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